Tagesspiegel: Für wen jetzt welche Nachhilfe die richtige ist
Einzel- oder Gruppenunterricht? Ferienkurs oder schulbegleitend? Vor dem Hintergrund Corona-bedingter Wissenslücken sprach der Tagesspiegel allen voran mit dem Lernwerk:
Viele Kinder und Jugendliche haben während der Corona-Pandemie nicht so viel gelernt wie sonst. Mit Nachhilfe und Förderprogrammen soll gegengesteuert werden. Welche Angebote es gibt – und was sie kosten
Von Matthias Ubl und Annette Kögel
Schülerinnen und Schüler haben besonders unter der Corona-Pandemie gelitten: Unterricht fiel aus, Homeschooling erschwerte das Lernen. Es wird vermutet, dass 20 bis 25 Prozent der Schüler:innen Lernrückstände und Beeinträchtigungen erfahren haben, heißt es bei der Senatsbildungsverwaltung. Mit dem Aufholprogramm „Stark trotz Corona” will der Staat gegensteuern. In Berlin stehen knapp 64 Millionen Euro aus Mitteln des Bundes zur Verfügung, um die Schüler:innen zu unterstützen. Lehrkräfte werden zunächst in Lernstandserhebungen herausfinden, wo die Kinder und Jugendlichen Lücken haben und dann mit Schülern und Eltern Gespräche führen und individuelle Förderangebote an den Schulen unterbreiten – kostenlos.
Etliche Eltern und Schüler:innen werden aber auch schon jetzt überlegen, ob sie sich auf eigene Faust Nachhilfe organisieren. Schon seit den Schulschließungen melden viele Institute starken Zulauf.
Grundsätzlich sollte Nachhilfe nur in Anspruch genommen werden, wenn ein Kind regelmäßig Probleme bei Hausaufgaben oder im Unterricht hat, sich in einem Problemfach verbessern möchte, versetzungsgefährdet ist oder sich auf eine Prüfung besonders gut vorbereiten will, raten Experten. Auch nach längeren Krankschreibungen kann Nachhilfe sinnvoll sein. Wenn ein dauerhaftes Leistungsdefizit besteht, sollte im Gespräch mit einer Lehrerin oder einem Lehrer und dem Kind herausgefunden werden, ob Ärger mit den Mitschüler:innen oder ähnliche Gründe das Lernen erschweren. Sollte dies der Fall sein, ist die Nachhilfe eventuell erst der zweite Schritt zu Verbesserung der Leistung.
Wenn man sich für Nachhilfe entscheidet, kann man aus vielen verschiedenen Angeboten wählen – es gibt Einzel- und Gruppenangebote, online und in Präsenz, zu Hause oder in einem Institut. Doch was ist für wen das Richtige?
Gruppenunterricht lohnt sich vor allem, wenn es ein verbindendes Ziel gibt, sagt Claudia Hamboch vom Lernwerk, einem Nachhilfeinstitut, das in Potsdam und Berlin zehn Schulen betreibt. Das können etwa Abschlussprüfungen sein. Wichtig sei, sagt Hamboch, dass die Gruppe homogen sei, also etwa alle für die gleiche Prüfung lernen und im selben Jahrgang sind. Für alle Fächer, von Deutsch über Mathe bis Erdkunde oder Latein, lassen sich bei großen Nachhilfeanbietern, wie etwa „Studienkreis – die Nachhilfe“ oder bei der „Schülerhilfe“ Angebote für kleine Lerngruppen finden.
Bei der Schülerhilfe kostet eine Doppelstunde mit neunzig Minuten pro Woche in Berlin-Mitte zum Beispiel 115 Euro im Monat, wenn die Laufzeit ein Jahr beträgt, der reine Onlinekurs kostet 105 Euro. Je nach Standort und Institution schwanken die Preise ein wenig, es gibt aber keine gravierenden Unterschiede. Beim Studienkreis kosten 90 Minuten in der Woche bei einem Jahr Laufzeit 104,90 Euro, für zweimal 90 Minuten in der Woche sind es dann 144,90 Euro.
Wer finanziell schwächer aufgestellt ist, also etwa Empfänger von Arbeitslosengeld II, Wohngeld oder Sozialhilfe sowie wer Leistungen nach dem Asylgesetz bekommt, kann mit dem Berlin-Pass Nachhilfe auch über das Bildungs- und Teilhabe-Paket finanzieren.
Die regulären Präsenzgruppen sind bei der Schülerhilfe relativ homogen, sagt eine Mitarbeiterin. Wenn mal ein Schüler aus einer anderen Stufe dabei ist, sei das nicht schlimm. Denn die Schüler:innen würden auch in Gruppen individuell betreut, es gibt keinen Frontalunterricht. Die Schüler:innen bringen eigenes Material, etwa Hausaufgaben mit. Auch Zusatzmaterial von der Schülerhilfe kann zum Einsatz kommen. Die Einzelbetreuung ist bei der Schülerhilfe knapp doppelt so teuer, also etwa 230 Euro, und es gibt nochmal einen Aufpreis, wenn die Lehrer zum Hausbesuch kommen.
Auf den Einzelunterricht spezialisiert habe sich wiederum das Lernwerk, sagt Claudia Hamboch. „Individuelle Betreuung bringt einfach am meisten“, sagt sie. Dazu bietet das Unternehmen ein kostenloses, unverbindliches Erstgespräch an, in der über die schulische Situation gesprochen und eine gemeinsame Strategie für die Nachhilfe erarbeitet werde. Die Einzelnachhilfe kostet in Berlin monatlich 109 Euro, allerdings bei 45 Minuten pro Woche, wobei individuell auch mehr Stunden vereinbart werden können. Hausbesuche gibt es hier nicht, die Einzelnachhilfe sei aber auch online zum gleichen Preis verfügbar. Das Lernwerk bietet außerdem Kurse zum selbständigen Lernen an. Beim „Lernen lernen“ wird der Lerntyp des Kindes erfasst, und dann werden individuelle Methoden zur Selbstorganisation vermittelt.
Ein reines Onlineprogramm findet man bei Sofatutor.com. Das Portal bietet ansprechend gestaltete Lernvideos und Online-Aufgaben. Schüler:innen haben jederzeit auf alle Fächer und Klassen Zugriff, was sich vor allem bei mehreren Kindern lohnt. Geschwister in verschiedenen Jahrgängen können alle auf das Portal zugreifen. Ein Premiumabo, das auch einen Lehrkräftechat enthält, kostet bei einer Laufzeit von einem Jahr 299,40 Euro.
So gut wie alle Nachhilfeschulen bieten Ferien- und Prüfungskurse an. Vier Doppelstunden kosten zum Beispiel bei der Schülerhilfe 39 Euro.
In etlichen Schulen gibt es auch Kooperationen mit Nachhilfeinstituten, so dass Eltern etwas günstiger wegkommen. Beim Anbieter Intellego etwa kostet eine 45-Minuten-Förderstunde in der Schule 7,50 Euro, für Schüler:innen mit Berlin-Pass und bescheinigtem Lernförderbedarf ist das Angebot kostenlos.
Einige Eltern und Alleinerziehende haben das Glück, dass Nachbar:innen, Verwandte oder Freunde dem Nachwuchs ehrenamtlich bei den Schularbeiten oder der Vorbereitung für Klassenarbeiten helfen. Da gilt dann wie immer und für alle Fächer: Das Ergebnis muss stimmen. Nur nett sein und sich gut verstehen reicht nicht aus, der Lehrende muss vermitteln können, der oder die Lernende mit der Art des Nachhilfegebenden zurechtkommen. Der Lehrer in der Schule erklärt den Rechenweg so, die Nachhilfelehrerin zu Hause so – da ist es für Kinder und Jugendliche nicht so leicht umzusetzen, wie sie am effizientesten für eine gute Note das Gelernte anwenden können.
Gerade bei der Geflüchtetenhilfe gibt es Ehrenamtliche, die regelmäßig und ohne finanzielle Forderung beim Lernen helfen, zurzeit meistens online über Videochats. „Ich mache das gern, wenn ich merke, dass der Schüler wirklich was lernen will“, sagt eine Ehrenamtliche, die anonym bleiben will und sich bei mehreren Geflüchteten sowohl beim Deutsch-Spracherwerb wie auch in anderen Fächern einsetzt.
Gemeinsam lernt es sich leichter. Seit den Schulschließungen melden Nachhilfeinstitute steigenden Zulauf. Auch an Schulen gibt es mit dem Aufholprogramm „Stark trotz Corona“ Förderangebote.