Berliner Morgenpost: Die große Unsicherheit in den Berliner Schulen
Nach dem Ende des totalen Lockdowns beleuchtet die Berliner Morgenpost sehr genau, welche Konsequenzen der pandemiebedingte Schulausfall hinterläßt. Mit der Erwähnung unserer eigenen Sommerschule weist Redakteurin Susanne Leinemann beim Thema „Lernlücken“ auf das Engagement des Lernwerks hin.
Das Kind geht wieder zur Schule? Das heißt nicht viel – manchmal nur ein paar Stunden die Woche. Über die Probleme des neuen Alltags.
Berlin. Für den kommenden Schulausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus am Donnerstag werden sich Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und ihr Verwaltungsteam gut vorbereiten müssen. Denn viele Abgeordnete wollen Antworten hören. Allein vier Grüne – darunter Stefanie Remlinger und Marianne Burkert-Eulitz – haben vorab 31 Fragen zum Thema Schule, Sommerschule und Digitalisierung eingereicht. Und auch die Opposition scharrt mit den Hufen. „Wir brauchen dringend eine Perspektive, wie es weitergeht“, fordert Dirk Stettner, bildungspolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion. Auch die FDP will Antworten. Genauso wie die vielen Schüler, Eltern, Lehrer und Schulleitungen der Stadt. Wir haben die größten Baustellen zusammengestellt.
Noten: Das letzte Halbjahr – wie soll das um Himmels Willen bewertet werden? Im Juni stehen ja schon die Zeugniskonferenzen an. Mit verschiedenen Schreiben hat man versucht, in der Senatsverwaltung für Bildung die „Leistungsbewertung“ zu regulieren. So gilt: Die Noten aus „zu Hause erbrachter Leistung“ dürfen sich gegenüber den Halbjahresnoten in dem Fach nur verbessern. Kein Schüler soll sich also durch Homeschooling verschlechtern. Allerdings wird mit den Homeschooling-Resultaten je nach Schule unterschiedlich umgegangen. „Es gibt Schulen, die haben per Schulkonferenz-Beschluss eine Bewertung von Hausaufgaben grundsätzlich ausgeschlossen“, heißt es vom Landeselternausschuss Berlin. Sprich, dort kann sich kein Schüler durch Homeschooling steigern. Auch in anderen Bereichen gibt es großes Wirrwarr, beispielsweise bei der Frage, ob eine Schule weiterhin Klausuren oder Klassenarbeiten geschrieben hat oder nicht. Auch da lassen die Schreiben der Senatsverwaltung viel Freiraum – zum Verdruss von Schülern, Eltern und Lehrern. „Derzeit ist keine Nachsteuerung geplant“, heißt es lapidar in einem Telefonkonferenzprotokoll der Senatsbildungsverwaltung.
Reduzierter Präsenzunterricht: Die Schulen öffnen sich wieder, doch für viele Eltern wird zu Hause nichts besser. „Alle acht Tage 3,5 Stunden Präsenz im Klassenraum“, berichtet Ulrike Dittgen-Noweski über den Stundenplan ihrer Tochter. Das seien noch sechs Termine für die Erstklässlerin. Der Sohn, vierte Klasse, sitzt noch fünf Mal im Klassenzimmer, bevor die Ferien beginnen. Dann noch das zweijährige Kind, das vor Juli wohl nicht wieder in der Kita ist. Für die 39-Jährige, die sich gerade mit ihrer e-Learning Plattform „Learn or Lose“ selbstständig gemacht hat, ist Arbeiten fast unmöglich. Auch ihr Mann ist selbstständig. „Zurück zur Schule sieht für uns so aus, dass sich nichts zu den vergangenen Wochen verändert hat – außer, dass wir zusätzlich koordinieren müssen, an welchen Tagen welches Kind für ein paar Stunden zur Schule gebracht wird und geholt werden muss“, sagt sie genervt. Die Entlastung sei gleich Null.
Lernlücken: Kein Zweifel, die Schüler der Hauptstadt lernen dieser Tage viel zu wenig. Der Stundenplan ist auf Kernfächer reduziert, die Lehrer händeln den Fernunterricht unterschiedlich gut, und auch bei den Schülern differiert die Motivation stark. Mit Zusatzförderung (LernBrücken) und Sommerschulen greift die Senatsverwaltung für Bildung zumindest den „bedürftigen Kindern“ unter die Arme. Allerdings – in Berlin werden rund 100.000 Schüler bei der Bildung staatlich unterstützt, mehr als 12.500 wird man aber nicht in den Sommerschulen betreuen können. Und was ist mit den vielen anderen Kindern und Jugendlichen der Stadt? Schon ziehen private Nachhilfeschulen wie „Lernwerk“ nach und wollen auch Sommerschulen mit Blick auf die Corona-Lücken anbieten. Das kostet allerdings. Die gute Nachricht ist, so ganz genau werden wir erstmal nicht wissen, wie groß die Lücken sind. Denn zumindest die Vera3-Tests sind dieses Jahr ausgefallen.
Perspektive: Die große Frage ist: Wie geht es nach den Sommerferien weiter? Eine Impfung wird bis dahin wohl nicht gefunden sein. „Ich mache mir große Sorgen“, räumt Bildungssenatorin Scheeres offen ein. Und sagt genauso klar: „Es muss nach den Ferien anders weitergehen.“ Allerdings – mehr als Szenarien entwickeln kann ihre Behörde auch nicht. Denn die große Unbekannte ist und bleibt das Virus. Deshalb hält sie nichts von den Forderungen einiger Oppositionspolitiker, ein Generalplan solle jetzt her. „Wir müssen von Stufe zu Stufe entscheiden“, sagt sie. Wie viel Präsenzunterricht ist schon möglich, wie viel Fernunterricht noch notwendig? Und verspricht: „Wir werden frühzeitig die Schulen informieren, wie es weitergeht.“ Bislang hat genau das nicht besonders gut geklappt.
Erstklässler: Das große Fest in der Aula, wenn die Kleinen aufgeregt mit den Schultüten im Arm stehen, es könnte im nächsten Schuljahr zur Einschulung ausfallen. Bitter. Und schon jetzt ist alles anders – keine Einschulungsuntersuchungen durch die Amtsärzte in den Bezirken, die mit Corona ja völlig überlastet sind. Doch was ist mit den Kindern, die noch nicht schulreif sind? „Wenn Eltern und Kita das beide wollen, wird das Kind zurückgestellt“, betont Martin Klesmann, der Sprecher der Senatsbildungsverwaltung.